Ach, das bisschen Haushalt

Der Traum von einer vollautomatischen Putzhilfe wird wohl so bald nicht in Erfüllung gehen. Denn die größte Herausforderung für Roboter ist nicht die Fabrik, sondern das private Heim.

Am besten platziert man einen Wäschekorb und mehrere Kisten der Reihe nach an der Wand. Das sind die Idealbedingungen, unter denen ein neuer, noch ungetaufter Roboter des japanischen Unternehmens Preferred Networks erfolgreich das Zimmer aufräumt. Er greift mit seiner zangenähnlichen Hand nach Objekten, die auf dem Boden verteilt sind, darunter Spielzeug, Wäsche, Lebensmittel, Müll. Ab und zu rutscht etwas wieder zu Boden, aber dann schnappt er sich einfach das nächste Teil, zum Beispiel eine Socke, rollt damit zum Wäschekorb, streckt sich und schmeißt das Fundstück hinein.

Noch ist der Roboter nicht auf dem Markt. Und ob er in einer nicht-präparierten Wohnung mit unbekannten Objekten zurechtkommt, ist ungewiss. Denn der Haushalt von Menschen ist ein besonders schwieriges Terrain.

Der Zukunftsforscher Anders Sandberg vom Future of Humanity Institute in Oxford sagte in einem Interview, jede Tätigkeit, die leicht zu erklären sei, ließe sich automatisieren. Und so geistert in der Gesellschaft die Vorstellung herum, wie ein gestresster Mensch eines Abends nach Hause kommt, und siehe da, alles ist aufgeräumt. Es ist geputzt, das Essen steht heiß auf dem Tisch und eine freundliche Roboterstimme fragt, ob denn noch etwas fehle. Nach dem Essen räumen Maschinen alles ab und spülen – all das sind schließlich leicht erklärbare Aufgaben. Und was Maschinen nicht können, lernen sie dann im alltäglichen Miteinander.

Geschürt werden diese Erwartungen von Videos wie jenen der amerikanischen Firma Boston Dynamics, die etwa einen menschenähnlichen Roboter zeigen, wie er auf zwei Beinen einen Hindernisparcours bewältigt und mit einem Rückwärtssalto aus dem Stand heraus abschließt. Wer käme auf die Idee, dass ein solcher Roboter Schwierigkeiten haben könnte, einen simplen Türgriff zu bedienen oder Geschirr abzuräumen?

Forscher an Universitäten und Instituten sind von solchen Inszenierungen wenig angetan, denn sie haben eben wenig mit der Realität zu tun. Roboter können zwar im Labor Pfannkuchen backen, Getränke servieren und bis zu einem gewissen Grad tatsächlich aufräumen – viel mehr aber nicht. Auf die Frage, was nun nach dem Staubsaug-, Wisch- und Fensterputzroboter an Automatisierung in die Haushalte kommt, antworten viele Experten: vielleicht einige Jahre nichts.

Es mangelt nicht an Ideen, aber bei der Umsetzung hapert es. Der klassische Ansatz ist die Entwicklung eines humanoiden Assistenzroboters, der eine Mischung aus Butler, Koch und Putzkraft ist. Er soll in jedem beliebigen Haushalt zurechtkommen – ohne weitere Installationen mit Ausnahme des Ladegeräts. Lange Zeit hofften Ingenieure, dass so ein Roboter nur ein paar Grundfunktionen mitbringen muss, und der Bewohner ihm alles Weitere beibringt. Aber die Praxis erwies sich als komplizierter.

„Es gibt eine immense Vielfalt an Objekten im Haushalt, und ein Roboter benötigt eine grobe Vorstellung davon, welche Auswirkungen eine Interaktion mit all diesen Objekten hat“, sagt Daniel Leidner vom Institut für Robotik und Mechatronik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Dabei reicht es nicht, wenn ein Roboter etwa eine Tasse erkennt – er muss wissen, dass man Flüssigkeiten einfüllen und ausschütten kann, wie man die Tasse anfasst, dass sie zerbrechlich ist, dass der Inhalt heiß sein kann, und man sie deshalb einem Menschen vorsichtig reichen muss. Leidner sagt: „Wenn ein einzelner Roboter das alles einmal gelernt hat, können wir die Daten nur auf das gleiche Robotersystem übertragen – andere Systeme müssen hingegen neu angepasst werden.“ Eine Tasse aufzuheben bedeutet für einen Roboter mit drei Fingern eine andere Bewegungsabfolge als für einen mit vier.

Zudem gleicht keine Wohnung der anderen. Damit ein Roboter im Haushalt zurechtkommt, hat er idealerweise nicht nur eine Karte der Räume im „Kopf“, sondern 3-D-Modelle der Möbel, mit denen er interagieren muss, damit er weiß, wie er etwas platzieren oder entnehmen kann, ohne die Möbel zu beschädigen. „Wenn Sie eine Einrichtung zum Beispiel von Ikea haben, ist das noch relativ einfach, weil wir deren 3-D-Modelle online abrufen und nutzen können – aber jede Maßanfertigung muss gesondert aufbereitet werden“, sagt Leidner.

Theoretisch könnte der Roboter auch durch das Ausprobieren lernen, etwa Schranktüren zu öffnen, aber das ist riskant. „Das geht im Labor, aber im Haushalt möchten Sie nicht, dass der Roboter Tassen zerbricht, nur um zu lernen, wie er damit umgehen soll,“ sagt Leidner. Die Forscher sehen sich daher genötigt, mit neuronalen Netzen die Erkennung aller denkbaren Objekte zu trainieren und alle möglichen Eventualitäten herunterzuprogrammieren. Daher werden noch einige Jahre ins Land ziehen, ehe solche universellen Systeme zuverlässig funktionieren. Trotzdem seien Spezialroboter keine dauerhafte Lösung. „Viele Leute haben schon die Schränke voll mit Waffeleisen und Toastern, da müssen nicht noch verschiedene Roboter hinzukommen“, sagt Leidner. So ambitioniert das Vorhaben auch sei: Ein einziger Roboter, der in der Lage ist, alle Aufgaben im Haushalt zu erledigen, habe nun mal seine Berechtigung.

Ähnlich sieht es Pieter Abbeel, Direktor des Berkeley Robot Learning Lab und Co-Direktor des Berkeley AI Research Lab an der Universität Kalifornien. Er sagt: „Sie können natürlich immer spezialisiertere Maschinen erfinden, die nach und nach Aufgaben im Haushalt erledigen – aber es wird immer etwas übrig bleiben, wie etwa den Tisch zu decken oder die Wäsche aufzuhängen.“

Der aus Belgien stammende Informatiker sieht nicht die Technik, sondern den Preis als Haupthindernis in der Haushaltsrobotik. Ein Roboter in menschlicher Größe kostet derzeit 10 000 bis 50 000 Euro. Diese Kosten ließen sich erheblich reduzieren, wenn man auf eine gewisse Robustheit und Präzision verzichten könne. „Die heutigen Roboter sind immer noch eher für die Industrie gebaut, aber die dortigen Anforderungen unterscheiden sich erheblich von denen im Haushalt“, sagt Abbeel. „Wir brauchen keine millimetergenaue Präzision, ebenso keine schnellen Bewegungen und übermäßigen Kräfte.“

Dies erlaube ein einfacheres Design, das deutlich günstiger sei. Abbeels Roboter „Blue“ ist nun so konstruiert, dass er zum Beispiel nur für kurze Zeit ein schweres Objekt wie einen beladenen Wäschekorb heben kann. Konstruktionsbedingt würden die Motoren auf Dauer überhitzen, weshalb der Roboter nach so einer Tätigkeit eine Pause zur Abkühlung braucht. Mit seiner abgespeckten Technik kostet „Blue“ nur etwa 5000 Euro. Das ist noch kein Marktpreis, aber ermöglicht mehr Wissenschaftlern, mit solchen Robotern zu arbeiten.

Zudem will Abbeel ein limitiertes Learning by Doing im Haushalt riskieren. „Ich kann definitiv verstehen, dass Kollegen sagen, sie wollen ein vorhersehbares, konsistentes System, das nicht jedes Mal etwas anderes ausprobiert“, sagt er. „Aber wenn wir auf jede erdenkliche Weise ein hohes Maß an Zuverlässigkeit erreichen wollen, werden Roboter am Einsatzort einiges lernen müssen, sonst bleiben ihre Fähigkeiten limitiert.“

Abbeel und sein Team entwarfen „Blue“ deshalb so, dass der Roboter etwa bei einer Berührung sofort seine Kräfte zurückfährt, damit er Menschen nicht verletzt. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass das DLR aus Sicherheitsgründen seine meist stärkeren Roboter überwiegend im Labor lernen lässt. Ein deutscher Forscher erzählt zum Beispiel hinter vorgehaltener Hand, dass er einmal einen Roboter für ein Tischtennisspiel programmiert hatte, der anfangs perfekt funktionierte: Er lernte während des Spiels immer besser den Ball zu parieren. Doch plötzlich holte er für einen Schlag so weit und schnell aus, dass der gesamte Roboterarm quer durchs Labor flog und einen Schaden von 20 000 Euro verursachte.

Matthias König von der Fachhochschule Bielefeld setzt deshalb auf einfachere, weniger fehleranfällige Konstruktionen. Er baut einen betont simplen Roboter, der wie ein Staubsauger mit Greifarm aussieht. Er kann zum Beispiel Schuhe aufheben und in einen Schrank stellen. Das besondere an dem Ansatz ist, dass die Roboter mit Smart-Home-Elementen interagieren. Sie müssen also nicht lernen, wie man eine Tür öffnet – sondern sie befehlen dem intelligenten Haus, Türen zu öffnen, Jalousien hochzuziehen oder Lichter ein- und auszuschalten.

Da das Haus mit Sensoren ausgestattet ist, hat der Roboter zudem mehr Überblick. Wenn ihn ein Bewohner beauftragt, die Chipstüte hinter dem Sofa wegzuräumen, nutzt er Überwachungskameras des Hauses, die ihm den genauen Ort verraten. Die Anbindung an ein Smart Home setzt freilich eine Schnittstelle voraus, damit der Roboter das System überhaupt bedienen kann.

Matthias König sagt, er wisse daher nicht, was nach dem Staubsaugerroboter komme – es fehle im Haushalt noch an einer Killer-App. Gemeint ist eine Technik, die Menschen motiviert, sich auf deutlich mehr Automatisierung im Haushalt einzulassen. Bisher glaubte man, dass es hilft, Robotern ein menschlicheres Aussehen zu verleihen. Conor McGinn vom Trinity College Dublin etwa hat gezeigt, dass Menschen mit Maschinen besser zurechtkommen, wenn diese einen Kopf mit Augen haben, die einen anschauen.

Wohl aus diesem Grund arbeitet auch Amazon an einer Roboter-Version des intelligenten Lautsprechers Alexa namens Vesta, die ihren Besitzer anschauen kann. Doch ob solche Vorhaben gelingen, ist ungewiss – denn bislang war die soziale Robotik eine Geschichte der Pleiten. Der niedliche Hausroboter Kuri, der einem Gesellschaft leisten und fotografieren konnte, verkaufte sich schlecht – der Hersteller gab auf. Auch Jibo, ein Tischroboter mit beweglichem Kopf, der seinem Besitzer die Lieblingspizza bestellen konnte, war am Ende ein Flopp. Ähnlich erging es dem Unterhaltungs- und Überwachungsroboter Keecker, dem Wäscheroboter Laundroid und dem niedlichen Cozmo.

Ein selbstfahrendes Auto hat viele dieser Probleme nicht. Dem Nutzer leuchtet der Sinn unmittelbar ein – und das Auto braucht auch keinen zusätzlichen Roboter hinter dem Lenkrad. Ein Roboterauto ist selbst ein Roboter. Dieses Prinzip möchte der Architekt Thomas Bock von der TU München nun in den Alltag überführen. Statt Roboter ins Haus zu lassen, schwebt ihm ein Roboterhaus vor – also ein Haus, das selbst eine Maschine ist.

Bocks Labor ist ein Sammelsurium an Ideen, eine Halle mit intelligenten Möbeln, die später zentral von einem Computer gesteuert werden sollen. Die meisten seiner Vorhaben richten sich an ältere Menschen: Bodenleisten mit eingebauter Sensorik sollen Stürze erkennen, ein Bett fährt von allein hoch und schiebt einen Menschen in eine Gehhilfe. Ein Sessel soll den Puls messen und auch erfassen, wie depressiv der Bewohner ist. Bewertet wird der Gesundheitszustand von einer künstlichen Intelligenz.

Langfristig will Bock aber allen Menschen den Alltag erleichtern. Eine seiner Ideen ist ein intelligenter Schrank: Der Bewohner sagt, was er möchte, eine Tiefenkamera erkennt seine Position, und ein Schrankelement kommt per Förderband angefahren. Musik, beruhigendes Licht und angenehme Düfte sollen die Bewohner eines solchen Hauses gegebenenfalls in positive Stimmung versetzen.

Bock will nach und nach weitere solcher Konzepte umsetzen – und alles intelligent vernetzen. Die Möbel und Bewohner bilden dann eine Art Wohlfühl-Symbiose. In so ein System könnte dann zum Beispiel Moley integriert werden, die seit Langem angekündigte Küche eines Startups in London, in der ein Roboterarm über die Herdplatten schwebt und das Kochen übernimmt. Der Haken an Bocks Vision ist, dass für Putzen und Aufräumen weiterhin mobile Roboter benötigt werden.

Einig sind sich die Forscher, dass die Automatisierung des Haushalts nur dann voranschreiten wird, wenn sie neue, attraktiven Anwendungen anbieten kann. Denn Automatisierung ist nicht notwendigerweise ein Mehrwert an sich. Studien haben gezeigt, dass Tätigkeiten wie Kochen und Aufräumen sogar zur psychischen Gesundheit beitragen. Somit wäre die nächste Killer-Anwendung womöglich eher eine App, die es schafft, Menschen zur Hausarbeit zu motivieren statt sie zu übernehmen.